Unser unternehmenseigener Resilienzmanager Mathias nennt René Träder den „Resilienzpapst“. Darum bringt er den externen Experten in unsere Resilienzkurse für Mitarbeitende mit, die wir seit zwei Jahren anbieten. Darin geht es um psychische Widerstandskraft, Strategien gegen Stress und Krisen – also wichtiges Handwerkszeug für Menschen in Gesundheitsberufen. Im Interview gibt René Träder erste Tipps und einen kleinen Einblick in die Kursinhalte.
Wenn wir über mentale Gesundheit nachdenken, spielen zwei Dimensionen eine Rolle. Die großen Lebensentscheidungen und Veränderungsnotwendigkeiten, wenn man in eine Sackgasse oder Krise geraten ist. Und die kleinen Gewohnheiten im Alltag, von denen wir alle gute und schlechte haben und um die es in unseren Kursen für Mitarbeitende der DRK Kliniken Berlin vor allem geht.
Gute Gewohnheiten aufbauen und schlechte Gewohnheiten loslassen – das stärkt die Resilienz. Und wie komme ich den schlechten Gewohnheiten auf die Spur? Indem ich mich regelmäßig frage: Wie ist mein Tag strukturiert? Wo sorge ich selber für Stress, wo verstärke ich ihn? Wo nagt unnötiger Perfektionismus an mir? Welche ungesunden Glaubenssätze habe ich manifestiert? „Ich kann keine Pause machen“, „Das ist noch nicht gut genug“, „Ich muss das alleine hinbekommen, ich will nicht um Hilfe fragen, denn ich will die anderen nicht nerven, die haben doch bestimmt auch viel zu tun“ sind solche typischen Glaubenssätze. Um gute Gewohnheiten aufzubauen, helfen positive Reflexionsfragen wie: Wie lade ich meine Batterien wieder auf? Welche Methoden zur Entspannung nutze ich?
Im Gesundheitswesen arbeiten viele Menschen, die viel Empathie mitbringen und sehr hilfsbereit sind. Da kann es schwierig werden, sich abzugrenzen. Wer in der Autowerkstatt arbeitet, kann leichter sagen: „Um das Auto kümmere ich mich heute Nachmittag“. Zu sagen: „Ich brauche jetzt eine Pause und kümmere mich später um den Patienten“, ist eine andere Sache. Aber es hilft nichts, wir müssen lernen, uns um uns selbst zu kümmern und Warnsignale des Körpers ernst zu nehmen, wenn wir nicht in den Burnout geraten wollen.
Der Körper spricht die ganze Zeit mit uns. Wir bekommen Bauch- oder Muskelschmerzen, Schlafstörungen, mehr Hunger oder Verlangen nach Fastfood, Alkohol und Zigaretten oder fühlen uns dünnhäutig. Dann sollten wir hellhörig werden und merken, dass wir uns nicht mehr im inneren Gleichgewicht befinden. Dass unsere Ressourcen im Moment geringer sind als die Anforderungen, die an uns gestellt werden. Nun gilt es, nicht in die Falle zu tappen und nur die Symptome zu beseitigen. Kiffen, eine Schlaftablette nehmen oder sich eine Massage gönnen, bringt uns in solchen Situationen nicht weiter. Wir müssen aufspüren, worum es wirklich geht, und die Ursachen hinter den Symptomen beseitigen.
Kommunikation ist ein wichtiger Schlüssel. Sprich mit Patientinnen, Angehörigen und Kollegen. Betreibe Erwartungsmanagement: Was ist möglich? Wieviel Zeit ist für bestimmte Dinge da? Was ist die Zielsetzung Deiner Arbeit und welche Erwartungen kannst Du nicht erfüllen, weil sie nicht zu Deinen Aufgaben gehören? Vermeide Missverständnisse, indem Du Konflikte sofort ansprichst und Hintergründe erklärst. Meist hilft es, nicht nur etwas einzufordern, sondern zu erklären, warum wir uns dieses oder jenes wünschen. Andere Menschen verstehen uns oft nicht so klar wie wir denken. Sie können nicht in unseren Kopf schauen. Nur weil ich traurig gucke, weiß mein Gegenüber nicht automatisch, dass ich heute keine Energie habe. Selbst Personen, die auch in der Pflege arbeiten, erkennen Deine Belastungen nicht automatisch. Vielleicht arbeiten sie in anderen Bereichen – und die Notaufnahme hat andere Rahmenbedingungen als die Intensivstation oder der OP.
Um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten, bestehen die Kurse aus zwei Basis-Modulen und einem vertiefenden Zusatz-Modul, das nach einigen Monaten besucht werden kann. Wir üben, nicht so schnell ins „Nein“ oder „Aber“ zu kommen, sondern lösungsorientiert zu bleiben. Einfach mal was anderes zu versuchen als das, was ich sonst immer mache und was ja offenbar nicht funktioniert. Wir machen keine Übungen, die peinlich sein könnten, niemand wird gezwungen, sich vor die Gruppe zu stellen. Und es bleibt freiwillig, welche persönlichen Erfahrungen man teilt.
Ich leite zum Beispiel Entspannungsübungen und kleine Meditationseinheiten an. Drei-Minuten-Meditationen, die man wirklich auch im Arbeitsalltag einsetzen kann. Wir machen auch schriftliche Übungen, bei denen wir unser Netzwerk aufzeichnen und uns fragen, welche Menschen in unserem Leben uns Kraft geben, wer einen guten Rat geben könnte, welche Kontakte ich wieder aktivieren könnte, um Unterstützung oder positive Energie zu bekommen. Wir üben, Konflikte direkt anzusprechen und klarer zu kommunizieren, und das positive Denken zu aktivieren, die Perspektive zu wechseln und aus einem anderen Blickwinkel auf ein Problem zu schauen.
Wenn ich zum Beispiel denke, ich kann keine Pause machen, weil ich dann später mehr Stress haben werde und meine Aufgaben in noch kürzerer Zeit erledigen muss, ist das ein Trugschluss. Denn wenn ich eine Pause mache, werde ich dadurch wieder leistungsfähiger werden und schneller arbeiten können. Studien zeigen sogar, dass ich danach weniger Fehler mache. Wir brauchen Pausen und sollten nicht mit uns selbst darüber verhandeln. Das wird ganz schnell zu einer schlechten Gewohnheit.
Als nächstes gilt es zu überlegen: Was ist denn überhaupt eine Pause? Was brauche ich wirklich, um zur Ruhe zu kommen? Nicht nur auf der Arbeit, auch vorher und nachher. Oft verrinnt die Zeit so schnell und wir wissen gar nicht, was wir eigentlich gemacht haben. Automatisch neigen viele von uns dazu, zum Handy zu greifen, statt einfach nur in Ruhe einen Kaffee zu trinken, die Wolken zu beobachten, den Vögeln zu lauschen oder mal für einen Moment die Augen zu schließen und ins bewusste Atmen zu kommen.
Ein Handy ist ein Werkzeug, es kann tolle Sachen, aber es sollte nicht meinen Tag bestimmen. Vermeintliche „To Do’s“ wie Spiegel Online lesen oder den Instagram-Feed durchscrollen sind unnötige und selbstgeschaffene Stressoren. Zu viele negative Weltnachrichten machen hoffnungslos. Dagegen helfen bewusste Handyzeiten und Handypausen. Entspannung, also Pause, sollte auch nicht nur „berieseln lassen“ bedeuten. Aktiv zu werden – ein Bild zu malen, zu wandern, in eine Sportgruppe zu gehen -, ist viel effektiver. Der Mensch braucht Kontrastprogramme zu seiner Arbeit, um sich zu erholen. Wer viel am Bildschirm arbeitet, sollte nach Feierabend den Bildschirm meiden. Wenn ich mich den ganzen Tag um Menschen gekümmert habe, sollte mein Hobby kein Ehrenamt sein, wo ich mich schon wieder kümmere. Sondern vielleicht eher ein Erlebnis für die Sinne.
Beim persönlichen Resilienz-Training geht es nicht nur darum, auf Stress und Belastungen zu schauen, sondern auch darum, den Blick für eigene Ressourcen zu weiten und ein Bewusstsein dafür zu bekommen, was mir Kraft gibt und wie ich mich im Alltag darum kümmern kann.
Es kommen alle Berufsgruppen, die in den DRK Kliniken Berlin tätig sind, und allein das stärkt schon das gegenseitige Verständnis und trägt zum Stressabbau bei. Es sind berufserfahrene Personen aus allen Bereichen dabei: aus dem ärztlichen Dienst, Führungskräfte, Mitarbeitende aus der Patientenversorgung und der Verwaltung. Besonders freue ich mich aber, wenn auch junge Menschen kommen, die gerade in ihren Traumberuf eingestiegen sind und die prophylaktisch etwas unternehmen wollen, um ihn möglichst lange ausüben zu können ohne auszubrennen.
Manche Teilnehmerinnen erzählen aber auch, dass Personen aus ihrem Team sich nicht getraut hätten, in den Resilienzkurs mitzukommen, weil man denken könnte, sie seien nicht belastbar. Das ist schade. Resilienz ist das Immunsystem unserer Psyche. Darum sollten wir uns genauso selbstverständlich kümmern wie um unser körperliches Immunsystem.
Es sollte uns außerdem nicht unangenehm sein zuzugeben, dass wir Unterstützung brauchen. Die private und die berufliche Person gehen Hand in Hand. Zu jedem Leben gehören auch Krisen oder negative Erfahrungen dazu, beispielsweise Konflikte, Trennungen oder Krankheiten. Und auch das Thema Burnout wird in unserer Gesellschaft immer größer. Jeder hat seine Probleme. Natürlich auch Männer! Kurse mit psychischen Themen werden zwar häufiger von Frauen besucht und Bücher über psychische Themen häufiger von Frauen gekauft, aber Männer sind genauso betroffen von Belastung und psychischen Erkrankungen. Darum freuen wir uns über alle Mitarbeitenden, die das Thema wichtig finden.
Interview: DRK Kliniken Berlin / Maja Roedenbeck Schäfer
René Träder ist Psychologe (M.Sc.), Autor und Podcaster aus Berlin. Seit 13 Jahren begleitet er deutschlandweit Veränderungsprozesse von Einzelpersonen, Teams und Unternehmen im Rahmen von Coachings, Workshops und Vorträgen. Zu seinen Themen gehören psychische Gesundheit (Stress-Management, Resilienz und Achtsamkeit) sowie Teamentwicklung und Kommunikation/Konflikte. Im Jahr 2020 ist im Ullstein-Verlag sein Buch „Das Leben so: nein! Ich so: doch!: Wie du besser mit Stress, Krisen und Schicksalsschlägen umgehst“ erschienen.
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