„Ich habe einen Flug wegen Instagram verpasst“: Arkadius, Pflegefachkraft in der Psychosomatik - DRK Kliniken Berlin Jobs Karriere

„Ich habe einen Flug wegen Instagram verpasst“: Arkadius, Pflegefachkraft in der Psychosomatik

Pflegefachkraft und Physiotherapeut Arkadius, 54, arbeitet seit vier Jahren in der Wiegmann Klinik. Er ist einer unserer sechs neuen Corporate Influencer*innen und wird unter @arkadius_drk.bln auf Instagram über seinen Arbeitsalltag berichten. Wie ihm seine Erfahrungen aus 20 Jahren bei der Bundeswehr heute in der Psychosomatik helfen, erzählt er im Interview.

Warnung: Dieser Text enthält verstörende Inhalte, die psychisch belastend sein und traumatische Erinnerungen auslösen können.

Woher kommt eigentlich Dein Vorname?

Mein Vorname kommt aus dem Griechischen, aber ich habe keine griechischen Wurzeln. Meinen Eltern gefiel der Name einfach. Als Kind habe ich mir oft gewünscht, anders zu heißen, denn Kinder können grausam sein. Inzwischen finde ich es schön, einen Namen zu haben, den nicht jeder hat. Allerdings wollen manche Menschen einfach nicht glauben, dass ich kein Grieche bin. Ich habe von einem Oberarzt mal einen Präsentkorb mit einem griechischen Gruß auf der Karte bekommen. Ich konnte ihn nicht lesen!

Wie hat Deine berufliche Laufbahn begonnen?

Ich habe zuerst die Ausbildung zum Sportphysiotherapeuten absolviert, und musste dann zum Wehrdienst. Aus dem Pflichtjahr sind 20 Jahre bei der Bundeswehr geworden. Ich habe dort eine zweite Ausbildung zur Pflegefachkraft absolviert und wurde zu Einsätzen in den Irak, in den Kosovo, nach Italien und Griechenland geschickt. Vier Jahre lang war ich in Amerika.

Ich habe also einiges von der Welt gesehen. Dabei war ich mit der humanitären Hilfe betraut und nicht im direkten Kriegsgeschehen eingesetzt, aber besonders im Jugoslawienkrieg und im ersten Irakkrieg habe ich einiges mitbekommen. Zum Beispiel konnten wir nachts selbst in unserem von den Amerikanern geführten und gesicherten Camp nicht gefahrlos zur Toilette gehen. Von den umliegenden Hügeln wurde mit Leuchtmunition auf uns gefeuert. Wie im Actionfilm musste man mit kugelsicherer Weste und Splitterschutz aufs Klo. Was ich auch nie vergessen werde, sind die Kinder, die in eine Sprengfalle gefasst hatten. Die Fallen wurden mit Teddybären präpariert, und wenn das Kind das Stofftier aufheben wollte, explodierten sie.

Wie hast Du diese Erlebnisse verarbeitet?

Ehrlich gesagt habe ich sie auch 20 Jahre später noch nicht richtig verarbeitet. Im Gegensatz zu heute gab es damals keine Sozialpsycholog*innen bei der Bundeswehr. Uns wurde gesagt: „Das verwächst sich!“ Heute gibt es eine eigene Abteilung für Posttraumatische Belastungsstörungen.

Ich kann mit niemanden über meine Erfahrungen reden, weil niemand wirklich versteht, was ich erlebt habe. Nicht einmal meine Frau weiß alles, und das belastet mich manchmal doch noch. Ich kann mir keine Kriegsfilme ansehen, keine Nachrichten über den Gazastreifen lesen, keine Kriegsspiele am PC ertragen. Selten schrecke ich auch noch nachts aus dem Schlaf hoch und weiß nicht, warum.

Oft sagt man mir, ich soll mal eine Therapie machen. Eigentlich kann ich das nicht mehr hören. Es ist heutzutage ja fast schon ein Modetrend, dass jede*r eine Therapie macht. Aber vielleicht sollte ich doch mal darüber nachdenken, diese Thematik aufzuarbeiten.

Was geschah zwischen der Bundeswehr und Deinem jetzigen Job in der Psychosomatik?

Ich habe zwanzig Jahre als Pflegefachkraft in der Orthopädie und Unfallchirurgie gearbeitet. Das passte zu meiner Erstausbildung als Physiotherapeut. Knochen waren einfach mein Ding. Bis ich gemerkt habe, dass ich bei der Arbeit unkonzentriert und fast schon fahrlässig wurde. Es war einfach immer dasselbe: Schulter, Hüfte, Knie. Ich brauchte einfach einen Perspektivwechsel, ich wollte kein sogenannter „Fachidiot“ für nur eine Fachrichtung bleiben.

Es gab noch einen zweiten Aspekt, mit dem ich zunehmend weniger klarkam. Ich habe in einer Privatklinik gearbeitet, deren sechs Anteilseigner am Ende des Jahres ordentlich Kasse machen wollten. Aus ihrer Praxis haben sie sich die Patient*innen in die Klinik und zurück überwiesen. So blieb das Geld schön in den eigenen Reihen. Ich habe gemerkt, dass ich das nicht mehr mitmachen und lieber bei einem gemeinnützigen Träger arbeiten möchte.

Nicht zuletzt war mir der Arbeitsweg zu weit und ich wollte mehr Freizeit und Familienzeit haben.

Wie ist es, nun in der Psychosomatik zu arbeiten?

Ich empfinde es als erschreckend, welche wirklich unschönen Ereignisse sich in der Kindheit der jungen Menschen zugetragen haben, die bei uns in Behandlung sind. Wer grundsätzlich durch so etwas labilisiert ist, gerät schneller durch vermeintliche Kleinigkeiten aus dem Gleichgewicht.

Natürlich gibt es auch Gesprächssituationen, in denen man innerlich mit den Augen rollt und denkt: „Du weißt gar nicht, was existenzielle Probleme sind.“ Es wäre gelogen, wenn ich etwas anderes behaupten würde.

Meine Erlebnisse bei der Bundeswehr sind in der Psychosomatik jedenfalls sehr hilfreich. Dadurch kann ich mich in manche Berichte von Patient*innen gut hineinversetzen. Ich darf zwar ihnen gegenüber nichts von mir persönlich preisgeben, aber ich kann sagen: „Ich habe in einem anderen Kontext etwas ähnliches erlebt und kann nachvollziehen, wie Sie sich fühlen.“ Ich kann also ehrliche Anteilnahme zeigen.

Welche Kompetenzen außer dem Berufsabschluss sind in der Psychosomatik wichtig?

Man sollte empathisch gegenüber Menschen sein, die ihr Innerstes nach außen kehren. Lebenserfahrung ist keine Grundvoraussetzung, aber sie hilft in der Psychosomatik enorm. Deshalb fiel mir mein Seiteneinstieg in diesen Fachbereich nicht so schwer.

Bist Du als Seiteneinsteiger nun zufrieden dort, wo Du bist?

Ich muss noch etwa 12 Jahre arbeiten, bis ich das Rentenalter erreicht habe. Mit dem Corporate Influencer-Programm habe ich jetzt eine Möglichkeit gefunden, nochmal einen neuen Impuls zu setzen. Mein Interesse an Social Media, das hobbymäßig schon immer da war, kann ich nun professionalisieren. Warum nicht den Arbeitgeber in einer Art und Weise vertreten, die Spaß macht? Gerne möchte ich helfen, die nächste Generation von Mitarbeitenden zu gewinnen.

Mir kommt es nicht darauf an, unbedingt ganz viele Follower*innen zu generieren und Tag und Nacht nur noch mit Social Media beschäftigt zu sein. Dazu bin ich zu sehr Familienmensch. Wenn es natürlich doch so kommen sollte, muss ich die Karten neu mischen und überlegen, was ich dann damit machen würde.

Was möchtest Du in den sozialen Netzwerken über Deinen Arbeitsbereich rüberbringen?

Zum einen möchte ich zeigen, dass eine psychosomatische Erkrankung jede*n treffen kann. Zum anderen, was für ein tolles, lockeres Team wir in der Wiegmann Klinik sind. Auszubildende fragen manchmal: „Wer ist dieser Mann?“ Und wenn ich dann sage: „Der Chefarzt!“, dann sind sie ganz verblüfft. Wir duzen uns alle, was die Atmosphäre positiv beeinflusst. Daraus könnten auch die somatischen Abteilungen etwas in Sachen Teambuilding lernen. Ich habe noch nie zuvor ein so kollegiales, fast familiäres Miteinander erlebt! Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, weiß ich, dass das keine Floskel, sondern ehrliches Interesse ist. Ich habe aber das Gefühl, dass dieser Fachbereich und seine Berufsgruppen (Pflegekräfte, Psycholog*innen, Ärzt*innen und Therapeut*innen) zu wenig tun, um sich und ihre Arbeit nach außen darzustellen.

Was erwartest Du Dir von unserem Corporate Influencer-Programm?

Ich bin ein totaler Apple-Fan. Social Media sind für mich kein absolutes Neuland, aber ich möchte noch mehr darüber wissen. Zu Hause machen sich schon alle lustig über mich beziehungsweise teilweise können sie es auch schon nicht mehr hören. Ich habe meine Familie zu sehr mit reingezogen, bei Ausflügen ständig Fotos von ihnen gemacht, um sie zu posten, und von ihnen verlangt, auf mich zu warten, wenn ich mal wieder auf der Jagd nach dem besten Bild war. Ich habe sogar schonmal einen Flug deswegen verpasst!

Irgendwann hat meine Familie zu mir gesagt: „Mach was Du willst, aber halte uns da raus.“ Als ich den Aufruf für das Corporate Influencer-Programm sah, habe ich gedacht: „Das ist doch eine gute Alternative!“ und für mein Bewerbungsvideo einfach drauflosgequatscht. Wenn ich mehr Erfahrung mit den sozialen Netzwerken habe, möchte ich auch einem Kumpel von mir helfen, die Social Media-Kanäle seiner Praxis ans Laufen zu bringen.

Wie hat Dich der Seiteneinstieg persönlich verändert?

Es hat mich überrascht festzustellen, dass ich durch die Arbeit mit den Klient*innen lerne, mich auch selber zu hinterfragen. Dass ich merke, dass es nicht okay ist, wie ich manchmal mit Freunden oder meiner Familie interagiere. Ich habe gelernt, anders und besser zu kommunizieren. Und auch mir selbst gegenüber freundlicher zu sein. Während der Bundeswehrzeit wurde ich darauf gedrillt, immer nur zu funktionieren.

Empfindlichkeiten und Emotionen hatten dort keinen Platz. Jetzt bin ich plötzlich in einem Fachgebiet, in dem diese Dinge das Wichtigste überhaupt sind. Und ich merke, dass ich sie auch zu Hause zulassen darf.

Auch gehe ich heute mit einem viel freudigeren und entspannteren Gefühl von der Arbeit nach Hause. In der Orthopädie war ich immer unzufrieden, weil ich das Gefühl hatte, nicht genug am Patienten gemacht zu haben. Zeitmangel war und ist ein großes Thema. In der Psychosomatik erlebe ich dagegen unmittelbar, wie dankbar die Klient*innen selbst für kleine Tipps oder ein wenig Aufmerksamkeit sind. Der Weg über den Seiteneinstieg war genau der richtige für mich.

Interview: DRK Kliniken Berlin / Maja Schäfer

Maja_Schaefer, am 14. Mai 2025
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