Über den Ramadan mit Diabetes und Gefühle, die man zulassen muss: Diabetesberaterin Gülcan, 44, erzählt

Für Diabetes-Patient*innen ist der Ramadan, der noch bis zum 21. April läuft, eine besondere Herausforderung. Zum Glück ist unsere Diabetesberaterin Gülcan mit Tipps zur Stelle. Im Karriereblog gibt sie einige davon preis und erzählt auch, warum sie als 8-jähriges Kind in einer Migrantenfamilie begann, sich für Ernährung zu interessieren, und später Karriere in der Diabetesberatung machte. Außerdem schwärmt sie nur so von ihrem Team und unserem kleinen, aber coolen Krankenhaus in der Drontheimer Straße 😉

Warum machen Diabetes-Patient*innen beim Ramadan mit, es gibt doch Ausnahmen für kranke Menschen?

Richtig, bei Krankheit, Schwangerschaft oder als Kind muss man eigentlich nicht fasten. Aber so einfach ist das nicht. Ramadan ist ein kulturelles Familienereignis. Beim Fastenbrechen nach Sonnenuntergang wird Musik angemacht, der Tisch aufwändig gedeckt und es entsteht ein wunderschönes Gemeinschafts- und Heimatgefühl. Eltern, Kinder und Enkel kommen zusammen. Da möchten auch Kranke dran teilhaben. Es ist vergleichbar mit Menschen, die keine Christen sind, aber trotzdem Weihnachten feiern, weil sie es mögen, wenn die Gans im Ofen brutzelt.

Grundsätzlich ist es aber auch kein Problem, als Typ 2-Diabetiker*in zu fasten, man muss sich nur beraten und ärztlich begleiten lassen. Bei Typ 1-Diabetiker*innen ist es etwas schwieriger. Es gibt Studien, die belegen, dass die Komplikationen und stationären Einweisungen im Ramadan häufiger auftreten. Aber es bringt nichts, den Patient*innen zu sagen, dass sie nicht fasten dürfen. Religiöse Menschen werden es trotzdem tun. Darum muss man sie für mögliche Probleme wie Übersäuerung, Unterzuckerung oder Ketoazidose sensibilisieren und auffordern, engmaschige Arzttermine zu machen.

Was sollten Diabetiker*innen bei der Ernährung während des Ramadan beachten?

Dazu gibt es offizielle Guidelines, nach denen ich berate. Für die Morgenmahlzeit kurz vor Sonnenaufgang eignet sich ein Porridge aus Haferflocken mit Nüssen und Obst – natürlich ohne Süßungsmittel. Oder eine Scheibe Vollkornbrot mit Käse und etwas gegrilltem oder gekochtem Gemüse. Das macht lange satt und der Insulinspiegel steigt nicht so stark an. Viel trinken ist wichtig, aber gut verteilt. Der Körper kann nicht 1,5 Liter Flüssigkeit gleichzeitig aufnehmen. Ungesüßte Tees und Wasser eignen sich, lieber Kräutertee als Schwarzer Tee. Zum Abendessen gibt’s eine Gemüse-Bowl ohne Reis oder eine der vielen Gemüsesuppen oder Tellergerichte mit Gemüse aus der Orientküche, dazu selbstgemachten Ayran. So wie auf dem Foto, wo ich meine Kolleginnen aus der Diabetologie zum Fastenbrechen eingeladen habe. Langsam essen und Pausen machen ist wichtig.

Wenn man den Ramadan zum Anlass nimmt, über seine Ernährung nachzudenken, kann man übrigens auch als gesunder Mensch viel lernen. Warum fasten wir überhaupt? Um zu uns selbst zu finden, um uns vor Augen zu führen, wie sich Armut anfühlt, um Lebensmittel und Wasser schätzen zu lernen. Das Fastenbrechen als verschwenderische Fressorgie mit viel zuckerhaltiger Cola, wie es in vielen muslimischen Familien stattfindet, ist überhaupt nicht das, worum es im Koran geht. Nach einer solchen Völlerei geht es einem doch wirklich schlecht. Der Prophet rät, den Magen mit einem Drittel Essen, einem Drittel Wasser zu füllen und ein Drittel Luft zu lassen. Das gilt auch im Fastenmonat.

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Warum interessierst Du Dich so für Ernährung und bist Diabetesberaterin geworden?

Als Migrantenkind musste ich schon mit acht Jahren meinen Eltern ständig die Zutatenlisten deutscher Lebensmittel übersetzen, weil sie sicherstellen wollten, dass kein Schweinefleisch enthalten war, selbst aber kein Deutsch konnten. Ich habe damals angefangen, mich zu fragen, was es mit den anderen Zutaten und Zusatzstoffen auf sich hat.

Eigentlich wollte ich Krankenschwester oder Hebamme werden, doch das war meinen damals noch sehr konservativen Eltern nicht so lieb. Dann ist mir eingefallen, dass ich mich eigentlich schon immer für Ernährung interessiert habe. Im Berufsinformationszentrum habe ich die Informationen zu den Berufen in diesem Bereich gefunden und nach der Schule die dreijährige Ausbildung zur Diätassistentin gemacht. Danach habe ich zuerst meine Kinder bekommen.

Um meine Chancen für den beruflichen Wiedereinstieg nach der Familienphase zu verbessern, habe ich die einjährige Weiterbildung zur Diabetesberaterin absolviert. Ich war die erste türkisch sprechende Diabetesberaterin in ganz Berlin, darauf bin ich stolz! Es war ein sehr langer Weg, der mich viel Geld und Nerven gekostet hat, aber am Ende bin ich da angekommen, wo ich schon immer hinwollte!

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Manchmal kann ich mein Glück nicht fassen, wie schön hier alles ist! Mein vorletzter Job war nämlich ziemlich traumatisch. Aber hier habe ich von der Chefin bis zu den Krankenpfleger*innen tolle Kolleg*innen, das Haus ist sehr harmonisch, jeder kennt jeden: Wir sind klein, aber cool!

Im Wedding fühle ich mich zu Hause. Hier ist der Bedarf nach Diabetesberatung auf Türkisch da, ich kann meine Sprachkenntnisse einsetzen. Aber das Wichtigste ist, dass man mich so nimmt, wie ich bin. Ich mag es, dass sich alle freuen und rufen: „Hallo Gülcan, wie geht’s?“, wenn ich durch die Gänge gehe, oder wenn sie mich um Rat fragen.

Weitere Karrierepläne habe ich eigentlich nicht. Ich bin 44 Jahre alt, habe drei Kinder und gehe morgens gerne zur Arbeit. Was will man mehr? Für eine Leitungsposition bin ich nicht geschaffen. Weiterbildungen, die ich machen kann, gibt es noch einige. Abwechslung habe ich zum Beispiel durch Diabetes-Schulungen in der Pflegeausbildung, die ich gebe, oder durch meine ehrenamtlichen Tätigkeiten u.a. für eine Diabetes-Hotline.

Mir gefällt es auch, dass das Unternehmen auf seine Mitarbeitenden eingeht, denn dadurch entsteht Mitarbeiterbindung. Meine Anliegen werden ernstgenommen. Toll fand ich, als eine Mail von der Pflegedienstleitung kam mit dem Angebot, im Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien zu helfen. Das hätte ich gerne gemacht, denn es ging mir sehr nahe. Da ich keine Krankenpflege-Ausbildung habe, konnte man mich letztendlich nicht mitnehmen, und ich habe ein wenig neidisch den Erdbeben-Einsatz von Wundexpertin Belgin aus meinem Team verfolgt. Aber allein das Angebot hat dazu geführt, dass ich mich dem Haus noch verbundener fühlte.

Gefäßdiagnostik, Blutzuckermessung, Fußsprechstunde: In der Klinik für Diabetes- und Gefäßerkrankungen gehören sie zum Arbeitsalltag. Hier trifft man auch unsere Gülcan bei der Arbeit… Bewirb Dich jetzt als Pflegefachkraft / Gesundheits- und Krankenpfleger*in auf unserer Diabetologie im Multikulti-Kiez Berlins!

Im Erdbebengebiet, aber auch im Krankenhaus in Deutschland gibt es traurige Erlebnisse. Wie gehst Du damit um?

Ich lasse sie zu und weine. Die deutschen Kolleg*innen gucken manchmal komisch und finden es unprofessionell, aber ich finde, es ist der einzige richtige Weg. Wenn ein 18-jähriger vor Dir zusammenbricht, der bis eben noch dachte, ihm gehört die Welt, und dann mit einer Diabetes-Diagnose konfrontiert wird, dann leidest Du einfach mit. Ich sage dann: „Komm, jetzt heulst Du mal richtig und ich heule mit und danach geht es Dir besser.“ Und so machen wir das dann auch. Danach sind sie viel aufnahmefähiger für meine Tipps. Vor Corona habe ich sie auch umarmt. Gefühle muss man zulassen. Nur bei Krebsdiagnosen bei jungen Menschen wird es auch für mich schwer, das schleppe ich schon mit. Dann gehe ich besonders viel joggen.

Text: DRK Kliniken Berlin/Maja Schäfer

Aline Creifelds, am 04. April 2023
Ernährung, Mitte
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