„Bewegung ist Leben!“: Von der Physiotherapeutin zur Gesundheitsmanagerin

Vom Gesundheits- und Krankenpfleger zum Praxisanleiter, von der Oberärztin zur Chefärztin: Solche Karrierewege im Krankenhaus sind bekannt. Doch wie kann sich eigentlich ein:e Physiotherapeut:in weiterentwickeln? Wie Pia nach einem nebenberuflichen Studium Gesundheitsmanagement zur Ergonomieberaterin geworden ist und wie sie unseren Mitarbeiter:innen dabei hilft, gesundheitsschonend zu arbeiten, erzählt sie im Interview.

Wie ist Dein Berufseinstieg verlaufen?

Ich habe nach meiner Ausbildung zur Physiotherapeutin  im damaligen DRK Rittberg Krankenhaus ein Praktikum gemacht. Dies war mein erster Kontakt mit den DRK Kliniken Berlin. Zu diesem Zeitpunkt war dort keine Stelle frei, ich hätte gerne nach dem Praktikum dort als fertig ausgebildete Physiotherapeutin angefangen. So habe ich zuerst in einem anderen Krankenhaus und verschiedenen Praxen gearbeitet, bevor ich im Jahr 2000 über eine ehemalige Kollegin in die DRK Kliniken Berlin Westend gekommen bin.

Was ist der Unterschied zwischen der Arbeit in der Praxis und im Krankenhaus?

Im Krankenhaus ist man Teil eines Teams und das ist sehr schön. Im Grunde gehört man sogar zu mehreren Teams: dem Physiotherapeut:innen-Team, das aus allen Physiotherapeut:innen im ganzen Unternehmen besteht, und zum interdisziplinären Team aus Ärzt:innen, Pfleger:innen und anderen Therapeut:innen auf der eigenen Station.

In der Praxis behandelt man dagegen von morgens an für sich alleine einen Terminplan ab und hat keine gemeinsamen Pausen mit den Kolleg:innen, weil jede:r einen anderen  Zeitplan hat oder zu Hausbesuchen unterwegs ist.

Im Krankenhaus kann man auch sehr flexibel reagieren. Wenn es einem Patienten aktuell nicht gut geht, oder wenn ein Arzt zum Aufklärungsgespräch kommt, geht man zuerst zum nächsten Patienten, kehrt  dann später noch einmal zurück.

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Wie hat sich Deine Karriere weiterentwickelt?

Auf der Unfallchirurgie und Orthopädie war ich für die physiotherapeutische Betreuung der Patient:innen zuständig. Nach der Elternzeit habe ich eine Weiterbildung zur Sicherheitsbeauftragten gemacht und im Arbeitssicherheitsausschuss (ASA) mitgewirkt. Dann habe ich Gesundheitsmanagement studiert und schon währenddessen mit unserer Gesundheitsmanagerin Renate Weier Kontakt aufgenommen. Ich bekam von der Geschäftsführung das Angebot, in ihrer Abteilung anzufangen und bin seit März 2020 dort. Ich bin sehr froh, dass ich innerhalb des Unternehmens mein neues Wissen einbringen kann, denn es war ein sanfter Übergang vom operativen Geschäft in die Verwaltung.

Warum hat Dich der Beruf der Physiotherapeutin interessiert?

Ich habe selber eine Skoliose, also eine Verkrümmung der Wirbelsäule, musste als Jugendliche zur Krankengymnastik und fand toll, was meine damalige Physiotherapeutin im Rahmen ihrer Tätigkeit gemacht hat. Während meiner Behandlungen habe ich diverse Übungen und Geräte kennengelernt und wurde sehr motivierend angeleitet. Das hat mein Interesse geweckt und ich kam auf die Idee, selber in diesen Beruf einzusteigen. So ist mein Berufswunsch entstanden und ich konnte in mehreren Aspekten von der Physiotherapie profitieren.

Was sind die schönen Momente im Berufsalltag eines Physiotherapeuten?

In der Unfallchirurgie war ich unter anderem für die Mobilisation der Patient:innen nach der Operation zuständig, sodass sie wieder an Gehstützen oder am Gehwagen laufen lernten. Es ist schön zu sehen, wenn jemand zügig Fortschritte macht und im Optimalfall auf eigenen Beinen wieder nach Hause läuft. Auch an der anschließenden Rehabilitation hat die Physiotherapeutin immer einen großen Anteil, sodass wir als Physiotherapeuten den Patienten vom Unfall bis zur Wiedereingliederung in den Beruf begleiten.

Gerade in den letzten Jahren werden aber überwiegend schwere Fälle im Krankenhaus behandelt, schwerkranke Patient:innen mit mehreren Nebendiagnosen. Alle anderen werden ambulant operiert, zum Beispiel Patient:innen, die eine Arthroskopie brauchen, das ist eine minimalinvasive Behandlung der Gelenke mit einem Endoskop. Solche Patient:innen, die wir früher häufig mobilisiert haben, sehen wir heute gar nicht mehr. Das ist schade, manchmal fehlen einem die Erfolgserlebnisse.

Ist Dir ein Fall besonders in Erinnerung geblieben?

Schön ist immer, wenn man eine positive Rückmeldung der Patient:innen bekommt. Ich erinnere mich an einen Patienten, den ich nach seiner Operation weiter ambulant behandeln konnte. Durch mich hatte er weiterhin die Anbindung ans Krankenhaus und konnte, wenn gewünscht, auch Fragen an die Ärzt:innen stellen. Dafür war er sehr dankbar.

Und was sind die anstrengenden Seiten des Berufs?

Bei vielen Patient:innen geht es nicht nur um die physische Mobilisation, sie haben viel auf dem Herzen, was sie sich von der Seele reden möchten. Dies ist wichtig für den Genesungsprozess, man muss dann schauen, dass man in der Behandlung die Balance zwischen beidem findet.

Physiotherapeut:in ist auch ein sehr körperlicher Beruf, bei dem man den eigenen Körper viel einsetzt und dementsprechend auch selbst irgendwann Beschwerden bekommen kann. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, dass wir in Deutschland viel mehr präventiv arbeiten müssten, damit sich die Menschen in den Lebenswelten am Arbeitsplatz körperschonend verhalten und gar nicht erst Beschwerden bekommen. Wir müssen nicht nur an den Symptomen arbeiten, sondern viel früher ansetzen und die Mitarbeitenden dazu bekommen, selbst aktiv zu werden.

Und das ist nun Deine Aufgabe im Gesundheitsmanagement?

Im BGM ist es wichtig zu schauen, was die Mitarbeitenden am Arbeitsplatz individuell brauchen und darauf einzugehen, um optimal und nachhaltig unterstützen zu können. Uns geht es vor allem um den gesunden Arbeitsplatz. Wir bekommen individuelle Anfragen zu verschiedenen Gesundheitsthemen und organisieren über externe Kooperationspartner Coachings und Workshops für Gruppen.

Mein Schwerpunkt und Herzensthema ist das ergonomische Arbeiten. Das bedeutet so arbeiten zu können, dass man optimale Arbeitsergebnisse erzielt und trotzdem nicht müde wird, sondern leistungsfähig bleibt. Das ist zum Beispiel für Kolleg:innen an Bildschirmarbeitsplätzen wichtig. Nicht selten bekommen sie Kopf- oder Nackenschmerzen, Hand- oder Unterarmschmerzen. Sie melden sich dann direkt bei mir oder die Betriebsärztin empfiehlt ihnen, eine Ergonomieberatung bei mir zu machen.

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Wie sieht so eine Ergonomieberatung aus?

Ich gehe direkt und individuell zu den Mitarbeitenden an den Arbeitsplatz und schaue, wie sie sich am Arbeitsplatz verhalten und wo die Probleme liegen. Dann berate ich. An einem Bildschirmarbeitsplatz besprechen wir die individuelle Einstellung und Position von Stuhl, Tisch, Tastatur und Bildschirm und berücksichtigen dabei die vorhandene Ausstattung.

Er erkläre auch, wie mehr Bewegung in den täglichen Arbeitsalltag gebracht werden kann. Mein Leitspruch lautet: „Bewegung ist Leben!“ Nach der Beratung kann der oder die Mitarbeiter:in ihren Arbeitsplatz selbstständig überall ergonomisch einrichten. Ich kann auch ergonomische Hilfsmittel wie eine ergonomische Computer-Maus besorgen. Das Feedback ist super, die Mitarbeiter:innen sind sehr dankbar für die individuellen Tipps und Anregungen und profitieren davon auch in ihrer Freizeit.

Was sind die Herausforderungen für die Zukunft?

Wir werden die Ergonomieberatung weiter ausbauen. Die Herausforderung bei diesem Thema liegt darin, dass wir in einem Krankenhaus außer den Büros viele verschiedene Arbeitsplätze haben: die Stationen, die Funktionsbereiche, die OPs, aber auch die Werkstatt und die Wäscherei. Man kann sich nicht wie in einem Unternehmen, das vorwiegend aus Büroarbeitsplätzen besteht, ein einziges übergreifendes Konzept überlegen, sondern muss das Konzept auf jeden Bereich individuell zuschneiden. Dieses Angebot bei den DRK Kliniken Berlin ist schon etwas Besonderes.

Eine Herausforderung aktuell ist die Durchführung von Workshops bei der belastenden Tätigkeit in der Pflege. Stressbewältigung und Resilienz sind wichtige Themen, um die Pflegenden nachhaltig zu unterstützen. Die Mitarbeiter:innen erlernen in Workshops in Kleinstgruppen Strategien, die in akuten Stresssituationen angewendet können. Und wie sie allgemein mit Belastung besser umgehen können. Diese Workshops finden während der Arbeitszeit statt und dauern 4 Stunden.

Wer sich um das Betriebliche Gesundheitsmanagement kümmert, muss für das Thema brennen und braucht einen langen Atem. Aber diese Herausforderung in all ihren Facetten finde ich interessant und stelle mich ihr gern.

Text: DRK Kliniken Berlin / Maja Roedenbeck Schäfer

Maja_Schaefer, am 25. Januar 2022
Gesundheit
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