Nach über 30 Jahren bei den DRK Kliniken Berlin ist Rotkreuzschwester Angelika in den Ruhestand gegangen. Wobei, ruhig geht es nicht zu, sie ist immer noch einige Stunden in der Woche als Patientenberaterin für an Brustkrebs erkrankte Frauen in einem Krankenhaus tätig, nimmt professionellen Gitarrenunterricht, hat eine Mitsingband gegründet und bringt Geflüchteten im Mehrgenerationenhaus das Gitarre Spielen bei. Anlässlich des Internationalen Diversity Tags erzählt Angelika über verschiedene Generationen in der Pflege.
Ich bin in Haldensleben bei Magdeburg geboren, in der DDR aufgewachsen und habe dort zuerst Krippenerzieherin gelernt. Gleich nach der Ausbildung habe ich eine Qualifizierung zur Krippenleiterin absolviert und eine Kinderkrippe geleitet. Schnell war für mich klar: Ich möchte den Beruf wechseln und Krankenschwester werden.
1981 habe ich im Bezirkskrankenhaus in Magdeburg als Hilfsschwester angefangen und berufsbegleitend meine Pflegeausbildung absolviert. Schon nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass dieser Beruf richtig für mich ist, und meine Entscheidung nie bereut. Nach der Ausbildung habe ich in einem Ostberliner Krankenhaus als OP Schwester gearbeitet.
Ich habe mich in der DDR immer eingeengt und bevormundet gefühlt. Mein Ziel war es, diesen Staat zu verlassen. Mein Beruf als Krankenschwester wird meinen Lebensunterhalt sichern, davon war ich überzeugt. Ein Jahr vor Grenzöffnung habe ich es geschafft, mit einem Ausreiseantrag nach Westberlin auszureisen. Es war ein sehr befreiendes Gefühl, mit einem Koffer am S-Bahnhof Friedrichstraße Ostberlin ein- und in Westberlin wieder auszusteigen.
Meine erste berufliche Station war ein Arbeitsvertrag als Krankenschwester in der chirurgischen Abteilung des damaligen DRK Rittberg Krankenhauses, das heute der Verwaltungssitz des DRK Bundesverbandes ist. Ich wusste nicht, was auf mich zukam, und hatte einige Sorgen, ob ich das schaffe. Doch mein gesundes Selbstvertrauen und die Einstellung „Die Pflege im Westen kann nicht viel anders sein“ haben mir geholfen.
Es hat sich sehr viel verändert. Seit der Gesundheitsreform im Jahr 2000 müssen Krankenhäuser wirtschaftlich arbeiten. Fallgruppen („DRGs“) wurden eingeführt. Die Verweildauer der Patienten hat sich verkürzt. Die Arbeitsbelastung in der Pflege hat zugenommen. Wir haben früher auch nicht immer schriftlich nachgewiesen, was wir tun. Einige Kollegen finden es lästig zu dokumentieren. Für mich ist es enorm wichtig, einen Nachweis zu haben, was die Pflege wirklich leistet.
In meiner Zeit als Stationsleitung, die ich 1991 übernommen habe, war es eine wichtige Aufgabe, unseren Arbeitsprozess an die neuen Anforderungen anzupassen und dabei immer teamorientiert zu bleiben. Der neue Pflegeprozess hat enorm dazu beigetragen, Probleme, Ziele und Maßnahmen zu formulieren. Wir Pflegenden sehen uns nicht mehr als rechte Hand der Ärzte wie früher. Wir sind selbstbewusster geworden und können uns im sozialen Gefüge eines Krankenhauses behaupten. Wir haben die Herausforderung angenommen, uns aktiv weiterentwickelt und Verantwortung übernommen.
In den DRK Kliniken Berlin ist es nochmal eine ganz besondere Situation. Unsere Krankenhäuser gehören der DRK Schwesternschaft. Hier hat die Pflege das Sagen, was sicher ein Verdienst unserer Oberin ist. Sie hat uns gefordert und gefördert. Heute steht die Pflege vor neuen Aufgaben, aber ich glaube fest daran, dass sich mit einer erfolgreichen Veränderung das Image der Pflegeberufe weiter verbessern dürfte.
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Ich habe mich mein ganzes Berufsleben lang weitergebildet und weiterentwickelt. 1991 wurde ich wie gesagt Stationsleitung einer chirurgischen Abteilung und habe eine Qualifizierung absolviert. 1995 habe ich als Leitung eine gynäkologische Station mit Schwerpunkt Brustkrebs übernommen. Seit 2000 bin ich Mitglied der DRK-Schwesternschaft Berlin.
Eine Herausforderung war der Umzug mit der gesamten gynäkologischen Abteilung von der Puls-Klinik, einer inzwischen geschlossenen Frauenklinik, in die DRK Kliniken Berlin Westend. Ich habe mich aktiv an der Zertifizierung des Brustzentrums beteiligt.
Danach habe ich die Weiterbildung zur Ausbildung von Pflegekräften für leitende Funktionen in Einrichtungen abgeschlossen. 2006 habe ich nach einer beruflichen Veränderung gesucht und erfahren, dass es einen neuen Berufszweig in der der Pflege gibt: Die Breast Care Nurse soll Frauen mit Brustkrebs auffangen, informieren und begleiten. Sehr interessant, fand ich und habe berufsbegleitend an der ersten Weiterbildung dieser Art an der Charité teilgenommen.
Ein Berufsleben in der Pflege ist auf keinen Fall langweilig. Es gibt viele Möglichkeiten, seinen Platz zu finden. Es braucht Eigeninitiative, aber wer will und Ideen hat, wird von der DRK- Schwesternschaft Berlin gefördert. Ein bisschen Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, gehört natürlich auch immer dazu. Ich fand es gut, in einer solchen Gemeinschaft zu sein und heute im Ruhestand fehlt mir manchmal der Erfahrungsaustausch.
Ich bewerte den Generationswechsel in der Pflege eher positiv. Ich verstehe, dass die jungen Auszubildenden anders aufgewachsen sind. Kommunizieren geht nur noch mit Handy oder WhatsApp, was auch mal zu Missverständnissen führt. Ich denke, Alt und Jung können voneinander lernen und habe deswegen extra Auszubildende für das Brustzentrum beantragt.
Ich finde es sehr interessant, was uns die neue Generation in der Pflege zu sagen hat und welche Ängste und Sorgen sie haben. In meiner Verantwortung liegt es, ihnen vorzuleben, was gute Pflege bedeutet. Wir brauchen die junge Generation, sie sind unsere Zukunft.
Den Umgang der DRK Kliniken Berlin mit der Vielfalt unter unseren Mitarbeitenden habe ich Immer als positiv erlebt, ganz gleich, ob es um Vielfalt vom Alter, der Religion oder der Kultur ging. Es ist selbstverständlich, dass in unseren Unternehmen alle die gleichen Chancen haben. Multikulti bereichert unser Arbeitsleben enorm. Vielfalt ist eine gelebte Unternehmenskultur, so empfinde ich das.
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Diese Fortbildung der DRK-Schwesternschaft Berlin richtete sich an ältere Krankenschwestern und war ein Highlight für mich: Nochmal etwas Neues lernen! Auch wir erfahrenen Kolleginnen sind ein Teil der Gemeinschaft. In der Fortbildung ging es um Kommunikation, mein Lieblingsthema, außerdem um den Umgang mit der neuen EDV/IT, zum Beispiel mit PowerPoint-Präsentationen.
Außerdem ging es um Belastungen im Pflegealltag, Resilienz-Möglichkeiten zur Erhaltung der eigenen Gesundheit. Der Erfahrungsaustausch zwischen den Kolleginnen war sehr gut und hat mich inspiriert.
Ich glaube, als ich 2008 mit Unterstützung unserer Oberin für die Aufgabe als Breast Care Nurse freigestellt wurde. Ich hatte einen Schreibtisch, einen PC und viele Ideen. Ich habe mir selbst eine Aufgabenbeschreibung erstellt. An Brustkrebs erkrankte Frauen sind psychisch in einer Ausnahmesituation. Sie benötigen eine besondere Betreuung. Als Breast Care Nurse war ich von Beginn der ärztlichen Diagnose und Therapieplanung an als Übersetzerin und Beraterin da und habe bei Bedarf die Angehörigen mit einbezogen.
Ich habe für die betroffenen Frauen alle Behandlungsabläufe koordiniert und Kontakte zu den verschiedenen Bereichen innerhalb und außerhalb des Krankenhauses organisiert. Das Organisieren und Menschen Zusammenbringen ist wohl eine Leidenschaft von mir. Ich habe Kosmetikberatung, eine Sportgruppe, Ernährungsseminare und “Singen ist Medizin“ organisiert, Selbsthilfegruppen gegründet und Kontakte zu externen Beratungsgruppen zusammengetragen. Ich habe Flyer mit unseren verschiedenen Angeboten entwickelt. Unsere Patientinnentage einmal im Jahr, immer unter einem anderen Motto wie „Achtsamkeit und Stärke“, waren sehr erfolgreich.
Stolz bin ich, mit Dr. Halwani, damals Oberarzt in der Frauenklinik und Profigeiger, für Krebspatienten ein Mitsingkonzert organisiert zu haben. In den DRK Kliniken Berlin Westend habe ich mich gemeinsam mit unserem Psychologen Urs Münch dafür eingesetzt, dass wir der Initiative „Singendes Krankenhaus“ beitreten, wofür wir auch ein Zertifikat bekommen haben. Unser Motto: Jeder, der sprechen kann, kann auch singen, und es gibt keine falschen Töne. Wir singen Mantras aus der ganzen Welt in verschiedenen Sprachen. Es ist eine offene Gruppe für Personal, Patienten, Angehörige sowie Menschen aus der Nachbarschaft.
Ganz ohne Krankenschwester zu sein, geht es nicht. Ich glaube, ich habe noch viel zu geben, gerade in der heutigen Zeit. Corona hat auch mein Leben total eingeschränkt und ich hatte viel Zeit, über mich nachzudenken. Es ist wichtig, positiv und aktiv zu bleiben und soziale Kontakte über moderne Medien zu halten.
Ich berate weiterhin ein paar Stunden die Woche an Brustkrebs erkrankte Frauen in einem Berliner Brustzentrum, aber ich genieße es auch, nicht mehr so viele Verpflichtungen und Verantwortung zu haben. Ich nehme Gitarrenunterricht über FaceTime, übe Klavier und hoffe, dass Corona bald vorbei ist und meine kleine Wohnzimmer-Mitsingband und mein Gospelchor wieder auftreten können. Ich gehe nochmal zur Schule, lerne besser Englisch, bin bei nebenan.de und – wenn wieder möglich – im Mehrgenerationen ehrenamtlich tätig.
Und es gibt noch ein musikalisches Projekt! Gemeinsam mit Schwester Ute Spiegel und Schwester Lea Friedrich haben wir einen Imagesong für die DRK Schwesternschaft Berlin mit professioneller Unterstützung durch Musikproduzent Fred Zahl eingespielt und wir drehen gerade das Musikvideo dazu, unterstützt von unserer Oberin. Das macht mich besonders stolz: Ich gehe in den Ruhestand und habe etwas hinterlassen.
Interview: DRK Kliniken Berlin/Maja Schäfer
Foto: Ralf Pleger
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