„Zwei Sekunden nach der Geburt meiner Tochter beschloss ich, Hebamme zu werden“: Paulina, 45, aus Schweden

Unsere Hebamme Paulina aus dem Kreißsaal am Standort Westend ist gebürtige Schwedin. Sie hat zuerst Jura studiert und wollte eigentlich keine Kinder haben. Ihre vier Schwestern haben ihr gereicht 😉 Aber dann wurde sie mitten im Studium plötzlich schwanger. Und beschloss „zwei Sekunden nach der Geburt“, so sagt sie, Hebamme zu werden! Warum sie mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen ist und wie der Berufsalltag als Hebamme sich in den beiden Ländern unterscheidet, lest ihr im Karriereblog.

Ist die Hebammenausbildung in Schweden ähnlich wie in Deutschland?

Nein. In Schweden muss man zuerst einen Bachelor of Nursing machen, was der übliche Ausbildungsweg für Gesundheits- und Krankenpfleger:innen ist. Dann muss man mindestens ein Jahr in der Pflege arbeiten, bevor man den zweijährigen Masterstudiengang Hebammenwesen beginnen kann. Allerdings soll sich das jetzt ändern. In schwedischen Krankenhäusern gibt es genauso wie in deutschen Krankenhäusern Personalmangel. Um schneller Nachwuchskräfte zur Verfügung zu haben, wird über eine praxisorientierte, kürzere Ausbildung wie in Deutschland diskutiert.

Und wie ist es mit dem Arbeitsalltag einer Hebamme?

In Schweden macht eine Hebamme vieles von dem, was hier in Deutschland ein Gynäkologe macht. In einer Praxis empfängt sie Patient:innen und berät und behandelt zum Thema Verhütung, Gebärmutterhalskrebs, Wechseljahre (Klimakterium), Schwangerenvorsorge. Das habe ich in meinem letzten Jahr in Schweden auch gemacht.

Hebammen arbeiten natürlich auch in Kreißsälen. Die werden jeweils von einer Hebamme geleitet. Bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf kommt kein Arzt zur Geburt dazu. Auch die Hebammen im Krankenhaus untereinander haben wenig Kontakt, weil jede für ihren Saal zuständig ist. Mit den Schwangeren hat man vor und nach der eigentlichen Geburt wenig zu tun, sie kommen nur für die letzte aktive Phase der Geburt in den Kreißsaal.

In Schweden ist alles digitalisiert, es gibt keinerlei Papierkram mehr, auch keinen Mutterpass. Frauen müssen sich im Krankenhaus nicht zur Geburt anmelden. Wenn es soweit ist, können sie hinfahren, wo sie möchten. Wenn dort die Kreißsäle voll sind, gibt es Koordinatoren, die die Frauen an andere Krankenhäuser vermitteln, manchmal sogar nach Kopenhagen in Dänemark. Das ist ja nicht weit von Malmö, wo ich gelebt habe, entfernt. In Malmö selbst gibt es rund 5.000 Geburten im Jahr in einem Krankenhaus mit 15 Kreißsälen. Freiberufliche Hebammen oder Geburtshäuser gibt es nicht.

Ein krasser Trend dort ist im Moment das Thema Gendervielfalt. Man muss sehr viel beachten: Babys dürfen keine rosa oder blauen Bändchen bekommen, man darf nicht sagen, ob es ein Junge oder Mädchen ist, sondern muss neutral über den Säugling sprechen.

Warum bist Du nach Deutschland gekommen?

Mein Partner, er ist Ingenieur, ist in Berlin geboren und seine Eltern wohnen hier. Wir haben uns aber vor 12 Jahren in Schweden kennengelernt und zuerst dort gelebt. Obwohl Malmö eine quirlige Studentenstadt ist, fanden wir es bald ziemlich langweilig. Es gibt in der Freizeit wenig zu tun. Alles läuft reibungslos und einfach, man muss keine Papiere ausfüllen, nie auf ein Amt gehen, man kann alles online machen. Man muss sich keine Kita suchen, sie kostet auch kein Geld. Der Staat macht alles für Dich. Irgendwann hatten wir keine Lust mehr darauf und meine Tochter war in ihrer Schule auch unzufrieden, da lag der Umzug nach Deutschland zu Oma und Opa nahe.

Berlin ist so spannend, es gibt einfach alles! Natur, Kunst, Musik, Theater, … wir gehen tanzen, wir haben ein Wohnmobil und können übers Wochenende nach Tschechien fahren… ich gehe auch gern joggen.

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Wie war Dein Start in Deutschland?

Ich bin zwei Monate lang zur Sprachschule gegangen und habe dann meinen B2 Level Deutschtest gemacht. Zum Glück sind viele Wörter – und die Art wie man sie ausspricht – auf Schwedisch und Deutsch gleich. Die Grammatik unterscheidet sich allerdings sehr.

Dann hat es fünf Monate bis zur Anerkennung meiner Ausbildung durch die deutschen Behörden gedauert. Und dann habe ich angefangen im Kreißsaal der DRK Kliniken Berlin Westend zu arbeiten. Ursprünglich wollte ich im Geburtshaus arbeiten, aber dort muss man sich als Hebamme für 9.000 Euro im Jahr versichern. Das Geld hatte ich nicht, darum habe ich es im Krankenhaus probiert und jetzt gefällt es mir sehr!

Am Anfang habe ich kein Wort von dem verstanden, was man zu mir sagte. Ich konnte zwar gut Deutsch lesen, aber nicht schreiben und nicht verstehen. Nach zwei Monaten ging es besser und von da an ging es bergauf. Man muss wirklich sehr motiviert sein, um so eine Arbeitsmigration durchzustehen. Manchmal habe ich den Mut verloren. Besonders wenn ich sah, wie schnell meine Tochter Deutsch lernte. Sie ging auf eine skandinavische Schule in Berlin und konnte trotzdem nach anderthalb Jahren fließend Deutsch. Gerade macht sie auf einer deutschen Schule ihr Abitur und will vielleicht Astrophysikerin werden. Den Hebammenberuf findet sie „ekelhaft“ 😉

Was magst Du denn so gerne an dem Beruf?

Ich liebe es, Frauen zu helfen. Die Geburt meiner Tochter hat sehr lange gedauert, ich habe in der Zeit die Dienste mehrerer Hebammen erlebt. Sie waren Heldinnen für mich in dieser Situation! Und eine Geburt ist so eine coole Sache. Da ist ein kleiner Mensch im Bauch, das ist doch unglaublich!

Als Krankenschwester in Schweden habe ich auf der Neurologie gearbeitet und hatte viel mit Schlaganfällen und dem Tod zu tun. Jetzt geht es um die Geburt und das Leben! Das ist etwas ganz anderes. Es ist jedes Mal wieder ein Wunder. Obwohl ich sicher schon tausend Geburten miterlebt habe, behalte ich manche ganz besonders in Erinnerung. Zum Beispiel wenn es sehr lange dauert und man befürchtet, dass es nicht auf natürlichem Wege klappen wird, und dann macht es irgendwann „Klick“ und es geht doch. Oder wenn diese ganz besondere Stimmung im Kreißsaal entsteht, weil die werdenden Eltern und ich eine tolle Verbindung haben und wir diesen besonderen Moment alle sehr andächtig und wertschätzend gemeinsam erleben.

Andererseits gibt es natürlich auch weniger schöne Momente. Jeder, der mit Menschen arbeitet, wird bestätigen können, dass die Leute heutzutage anspruchsvoller geworden sind. Manche Frauen vergessen auch, dass ich nicht ihre persönliche Hebamme bin und noch bei anderen Gebärenden vorbeischauen muss.

Wie kommst Du damit klar?

Es hilft auf jeden Fall, Humor zu haben! Man trifft so viele unterschiedliche Menschen und erlebt skurrile Situationen. Man muss offen sein und vieles akzeptieren. Man braucht viel Geduld und muss Stress aushalten können.

Wenn man so ein tolles Team wie unseres hat, ist es natürlich Gold wert. Ich fühle mich nie alleine. Wir haben Spaß, helfen einander, sind vom Alter her eine bunt gemischte Truppe. Wegen Corona konnten wir in letzter Zeit leider nicht so viel zusammen unternehmen, aber vorher haben wir oft Wochenendausfüge gemacht, nach Bad Saarow, an den Scharmützelsee zum Beispiel.

Welche Pläne hast Du für Deine berufliche Zukunft?

Im Moment habe ich keine konkreten Karrierepläne, aber irgendwann werde ich mich sicher noch weiterbilden. Ich bin jemand, der neue Herausforderungen braucht. Ich könnte mir eine Ausbildung in der Homöopathie vorstellen. Das finde ich sehr spannend und in Schweden ist es im Kreißsaal nicht zugelassen. Oder ich gehe in Richtung Nachsorge. Grundsätzlich kann ich mir keinen anderen Beruf vorstellen. Klar, man hat Schlafmangel und Wochenenddienste, aber ich könnte wirklich nichts anderes machen. Ich lerne hier so viele tolle Frauen kennen!

Text: DRK Kliniken Berlin / Maja Roedenbeck Schäfer

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Maja_Schaefer, am 12. Mai 2022
Gynäkologie | Geburtshilfe, Westend
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