„Alles nur noch Glück und Liebe“: Therapiehund Diego begeistert die Patienten und das Team der Transitionsstation

Heute Morgen geht es Sina* nicht so gut. Die 19jährige ist seit sechs Wochen Patientin auf der Transitionsstation der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Hier werden junge Erwachsene in der Phase rund um Schulabschluss, Auszug von zu Hause und Berufseinstieg behandelt. Doch als Psychotherapeutin Anja (Foto) mit Therapiehund Diego zur Tür hereinkommt, bessert sich Sinas Stimmung sofort. Sie entschließt sich, erstmal mit dem Vierbeiner und einer Pflegerin Gassi zu gehen.

Ein Hund auf Instagram

Therapiehund Diego, der es besonders mag, wenn Sina ihm den Futterball mitbringt, hat Ende 2020 seinen Dienst angetreten. Er hat sogar einen eigenen Instagram Kanal und gehört Psychotherapeutin Anja Teschner, die unsere Transitionsstation mit aufgebaut hat und nie müde wird, die Arbeit in unserer Kinder- und Jugendpsychiatrie mit neuen Ideen zu bereichern.

Während sich der Golden Retriever auf einer kuscheligen Decke vom Spaziergang ausruht, erzählt sie: „Meine Tochter hat mich drei Jahre lang bearbeitet, weil sie unbedingt einen Hund haben wollte. Ich war eigentlich dagegen, weil wir den ganzen Tag nicht zu Hause sind und die Großstadt nicht der beste Platz für einen Hund ist. Als ich dann endlich nachgegeben habe, nur unter der Bedingung, dass er eine Ausbildung und eine Aufgabe bekommt.“

Die Hundetherapie wird genauso dokumentiert wie andere Therapiemaßnahmen

Anderthalb Jahre ist Diego zur Hundeschule gegangen. Ein Hund, der für die Therapie eingesetzt wird, lernt, ungewöhnliche Bewegungen, Berührungen, Gerüche, Behinderungserscheinungen und Therapiemittel zu tolerieren. Plötzliche Schreie von Patienten, Menschen in ungewöhnlicher Bekleidung oder mit ungewöhnlichen Bewegungsmustern, glatte Krankenhausböden, Rollstühle, Krücken oder zuschlagende Türen macht ihm dann nichts mehr aus. Die Ausbildung beginnt in der 12. Lebenswoche und findet auf dem Übungsplatz und in medizinischen und pädagogischen Einrichtungen statt.

Nach einer Eignungsprüfung ist es nun soweit. Diego darf mit auf Station. Zwei- bis dreimal in der Woche soll er kommen, so der Plan. Im Moment ist das noch etwas zu viel, denn Anja muss dann zusätzlich die Hundetherapie dokumentieren, dafür sorgen, dass Diego Auszeiten und Rückzugsmöglichkeiten hat – und ihre normale Arbeit trotzdem gewissenhaft erledigen.

Ein Hund im Krankenhaus kann in vielen Situationen helfen

Es gibt viele Situationen, in denen ein Hund im Krankenhaus helfen kann: Kinder, die Blut abgenommen bekommen, sind ruhiger, wenn der Vierbeiner seinen Kopf auf ihren Schoß legt und sie bedauernd anschaut. Wenn Ärzte oder Therapeuten mit einem Kind über seine Symptome ins Gespräch kommen möchten, kann der Hund als Eisbrecher dienen. Kindern und Jugendlichen, die stationär aufgenommen werden, fällt es dann leichter zu bleiben.

Es gibt junge Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die nicht mehr gerne das Haus verlassen. Wenn man ihnen sagt, dass Diego aber an die frische Luft muss, machen sie sich ihm zuliebe auf den Weg. Ein Treffen mit dem Hund kann auch eine Belohnung für ein Kind sein, das einen Fortschritt in der Behandlung gemacht hat. „Gerade jetzt in der Corona Situation ist Diego eine wertvolle Hilfe“, erzählt Anjas Kollegin, Pflegerin Jana. „Denn wir dürfen die Patienten ja nicht mehr berühren, eine tröstende Umarmung ist nicht mehr möglich. Das übernimmt jetzt der Hund.“ Natürlich mag nicht jeder junge Patient Tiere, aber das ist auch okay.

Durch Diego hat Sina Freunde gefunden

Sina hat Hunde schon immer gemocht. In ihrem Elternhaus wohnen eine Bordeaux Dogge und ein Malteser Mischling, um die sie sich viel gekümmert hat. „Hunde sind so einfühlsam und rein“, schwärmt sie. „Sie merken, wenn es einem nicht gut geht, und sie lassen einen in Ruhe, wenn man in Ruhe gelassen werden will. Manchmal hat man einfach keinen Bock zu reden, weil die Gesprächspartner immer gleich eine Lösung für ein Problem suchen wollen. Der Hund ist einfach nur da.“

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Diego ist auch ein verbindendes Element zwischen Sina und den anderen Patienten. „Meistens sind wir alle da, wo der Hund ist. Und obwohl wir sehr unterschiedliche Menschen sind, manche aufgedreht und andere ruhig, habe ich hier gute Freunde gefunden, mit denen ich auch nach meinem Aufenthalt Kontakt halten will. Wir akzeptieren uns gegenseitig wie wir sind.“

Zuerst musste Anja ein Konzept schreiben

Ein Hund im Krankenhaus – das ist nicht immer einfach. Der Pförtner hat Sorge, dass er sein Geschäft in der Gartenanlage verrichtet, die Hygienestandards auf Station müssen beachtet werden. Zu all diesen Fragen musste Anja zuerst ein Konzept schreiben. Darin wird geklärt, wie das Einverständnis der Jugendlichen oder ihrer Eltern für die Hundetherapie eingeholt wird, wie oft Diego zum Gesundheitscheck muss und dass er nicht in die Küche darf.

Tipps für ihr Konzept bekam Anja von Kollegin Katharina. Der Vorgänger von Diego hat nämlich der Krankenschwester gehört. Er ist aber in Hunderente gegangen, weil ihm die Arbeit auf Station zu anstrengend wurde. „In der Hundeausbildung lernt man, die Stresssymptome zu lesen“, erzählt Katharina. „Wenn ein Hund nicht mehr kann, hechelt er, obwohl es nicht warm ist, schüttelt sich, fiept, leckt sich die Pfoten oder verliert sogar Fell.“ Kein Wunder, dass es irgendwann zu viel wurde, denn die Patienten haben sich geradezu um die „Hundeaufgaben“ gerissen: bürsten, füttern, Gassi gehen – jeder wollte mal drankommen.

Diego, Sina und Anja machen Zukunftspläne

Auch Patientin Sina ist immer für einen Hundeeinsatz bereit. Eines Tages möchte sich die 19jährige einen eigenen Vierbeiner kaufen. „Jetzt ist es noch zu früh, ich habe kein Geld für Tierarztbesuche und niemanden, der sich um den Hund kümmern könnte, wenn es mir mal nicht so gut geht. Aber wenn ich mich gesettelt fühle und alleine in meiner Wohnung klarkomme, dann werde ich es machen!“

Ihre Therapeutin, unsere Mitarbeiterin Anja, brütet derweil schon wieder über neuen Ideen für die DRK Kliniken Berlin Westend. „Langfristig wäre es gut, wenn die Hundetherapie nicht nur nebenbei liefe, sondern wenn es einen Mitarbeitenden gäbe, der allein dafür zuständig ist und im ganzen Krankenhaus Therapieeinsätze durchführen könnte.“ Das sei letztendlich nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Mitarbeitenden eine Bereicherung. „Die Stimmung im Team ist viel entspannter, seit der Hund da ist“, schmunzelt Krankenschwester Jana. „Alles nur noch Glück und Liebe!“

*Name geändert

Interview: DRK Kliniken Berlin/Maja Schäfer

Maja_Schaefer, am 15. Januar 2021
Jugendpsychiatrie
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