„Der ältere Herr war zum Glück sehr kooperativ“: Zwischenprüfung mit Schauspielern

In der Zwischenprüfung im zweiten Jahr der Pflegeausbildung schauen Auszubildende gemeinsam mit ihren Lehrer:innen, wo sie stehen und ob der Beruf der richtige für sie ist. Mit dem Pflegeberufereformgesetz und der neuen Ausbildung zur:zum Pflegefachfrau:mann ändert sich die Art der Prüfung. Während früher mündlich abgefragt wurde, haben wir mit Anna und ihren Kommilitonen in den aktuellen Kursen zum ersten Mal eine praktische Prüfung mit Schauspielern („Simulationspatienten“) durchgeführt. Das war vielleicht aufregend!

Fachwissen, Pflegetätigkeiten und soziale Kompetenzen

Durch das Pflegeberufereformgesetz wurde aus den Einzelberufen Altenpfleger:in, Gesundheits- und Krankenpfleger:in und Kinderkrankenpfleger:in der neue Beruf Pflegefachmann:frau und aus der mündlichen Zwischenprüfung eine „kompetenzorientierte“ Prüfung.

Dabei geht es nicht nur um Fachwissen, sondern auch darum, händische Pflegetätigkeiten korrekt durchzuführen: einen Verband wechseln, Medikamente stellen, den Patienten beim Inhalieren unterstützen oder seinen Blutzucker messen. Und es geht um den sozialen Aspekt der Pflege: Begegnen die Auszubildenden einer Patientin zugewandt und auf Augenhöhe, sind sie in der Lage, ein Informationsgespräch zu führen?

Fast echte Schauspieler

Lehrerin Mirjam Seefeldt in unserem biz Bildungszentrum hat deshalb mit dem Kollegium zum ersten Mal eine Zwischenprüfung mit Schauspielern konzipiert. Korrekt heißen sie „Simulationspatienten“, denn sie sind keine ausgebildeten Schauspieler, sondern Personen, die durch Fortbildungen und ihre Tätigkeit im Reformstudiengang Medizin viel Erfahrung als Simulationspatienten mitbringen. Sie passen vom Alter her zu den Fällen, die in der Prüfung nachgestellt werden sollen, und bekommen vorher ein Briefing.

Welche Kleidung sollen sie tragen, damit die Situation möglichst echt wirkt, wie ist ihre medizinische Vorgeschichte? Unter welchen Umständen sind sie pflegebedürftig geworden und wie sollen sie sich verhalten? Damit die Prüfungssituationen vergleichbar sind, gibt es einige Kernfragen, die die Schauspieler jedem Auszubildenden stellen müssen. Zum Beispiel: „Was kann ich bei meiner Krankheit noch machen, außer Medikamente zu nehmen?“

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Der erste Kurs mit der neuen Zwischenprüfung

Unsere Auszubildende Pflegefachfrau Anna und ihre Kommiliton:innen sind die ersten, die diese neue Form der Zwischenprüfung erlebt haben. Anna kommt aus einer „medizinischen Familie“: ihr Bruder ist Arzt, ihre Mutter arbeitet in einer Radiologie. Anna interessierte sich eigentlich für die Tiermedizin, doch als sie hörte, dass man in der Ausbildung auch auf den Schlachthof muss, hat sie es sich anders überlegt und für eine Karriere in der „Menschenpflege“ entschieden.

Das Angebot der DRK Kliniken Berlin, in der neuen generalistischen Pflegeausbildung gleich für drei Tätigkeitsfelder qualifiziert zu werden, hat sie überzeugt – an anderen Bildungszentren war ihr nur ein Platz im letzten Durchgang der „alten“ Ausbildung angeboten worden.

Corona auf der Isolationsstation war krass

Annas Ausbildungsbeginn fiel mitten in die Pandemie. „Ich habe Corona aus nächster Nähe miterlebt und war, weil ich mich selbst kein einziges Mal infiziert habe, häufig auf der Isolationsstation eingesetzt“, erzählt Anna. „Als ich dort gesehen habe, wie krass das ist, bin ich richtig wütend auf die Maskenverweigerer geworden und habe das auch auf Instagram gepostet. Dafür habe ich von meiner Familie und meinen Freunden viel Respekt bekommen. Sie haben mich richtig bewundert!“

Sie selbst habe es gar nicht so außergewöhnlich gefunden, was sie da tat. Andererseits sei sie aber auch sehr erstaunt über sich selbst und ihre eigene Stärke: „Mit 14 Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich für sieben Dienste am Stück geschaffen bin. Doch es macht mir sehr viel Spaß und ich genieße es, wenn meine Eltern und Großeltern mir eine medizinische Frage stellen und ich sie beantworten kann.“

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Examensluft schnuppern und Feedback geben

Dass sie den allerersten Kurs der generalistischen Pflegeausbildung absolviert, findet sie manchmal anstrengend („vieles wird noch ausprobiert“) und manchmal super („wir werden häufig um Feedback gebeten und können daran mitwirken, wie die Ausbildung für zukünftige Kurse gestaltet wird“). Grundsätzlich findet Anna es sehr spannend zu lernen, wie Krankheiten sich auf Patient:innen verschiedener Altersgruppen auswirken, sagt sie.

Die junge Frau mit den langen braunen Haaren ist eine der Besten im Kurs – bei ihr stellte sich nicht die Frage, ob sie in der Pflegeausbildung am richtigen Platz ist. Trotzdem war die Zwischenprüfung eine gute Gelegenheit, um schonmal Examensluft zu schnuppern. „Ich sollte bei einem älteren Herrn den Blutzucker messen. Der Simulationspatient und die häusliche Einrichtung in unserem Skills Lab haben wir auf jeden Fall geholfen, mich besser in die Pflegesituation hineinzuversetzen. Das wäre sicher schwieriger gewesen, wenn meine Lehrerin vor mir gesessen und mir den Finger für die Blutzuckermessung hingehalten hätte. Denn es ist ja schon eine eher ungewöhnliche Situation, wenn man nur so tut als ob.“

Keine Hektik, bitte!

Stattdessen saß Lehrerin Mirjam Seefeldt mit einer Checkliste am Rand, beobachtete und hakte ab, ob die Auszubildenden alle wichtigen Dinge durchführten: Hände desinfizieren, Begrüßung, sich ruhig neben den Patienten setzen, anstatt hektisch herumzulaufen und den Eindruck zu erwecken, man müsse schon gleich wieder los.

Für Anna war das alles nicht schwer, denn ihren praktischen Einsatz in der ambulanten Pflege wie auch den in der Pädiatrie hat sie schon hinter sich. „Ich habe mich nicht verstellt, sondern mich genauso verhalten wie in meinen Praxiseinsätzen mit echten Patienten.“ Annas Schauspieler war in der Prüfung zum Glück freundlich und kooperativ, doch manche Kommilitonen haben erzählt, dass ihre „Patienten“ ein bisschen beratungsresistent gewesen seien. Aber das gehörte dann zu der Rolle, die sie spielten. Wenn man Senioren mit Diabetes erklärt, dass sie sich gesünder ernähren sollten, sind nicht alle einsichtig.

Die Note kann den Durchschnitt nicht verschlechtern

Auch eine Klausur und der traditionelle mündliche Teil gehören zur Zwischenprüfung. Die Note fließt allerdings nicht in die Note für das Jahreszeugnis mit ein und kann auch nicht den Durchschnitt verschlechtern. Sie dient der Lernstandserfassung und als Grundlage für die anschließende Lernberatung, in der der:die Auszubildende die Gelegenheit erhält, sich selbst zu reflektieren. Wo sind meine Stärken, wo sind meine Schwächen?

Die Kursleiterin gibt ein Feedback zu den Fehlzeiten und ihrem Eindruck vom Azubi und daraus entwickelt sich ein Gespräch über die Zukunft. „Durch die neue Art der Zwischenprüfung hat sich der Notendurchschnitt in unseren Kursen deutlich verbessert, denn unsere Azubis können nun auch praktisch zeigen, was sie können“, erzählt Lehrerin Mirjam Seefeldt. „Und das ist für eine Pflegefachkraft letztendlich viel wichtiger als nur das Fachwissen herunterzubeten.“

Die Zukunft der Zwischenprüfung

Eine erste Auswertung ergab, dass alle Beteiligten die Zwischenprüfung mit Simulationspatienten für ein sehr gutes Prüfungsformat halten und dass es weiter genutzt und weiterentwickelt werden soll. Anna gibt zu bedenken, dass es schön wäre, wenn man als Auszubildender zwischen der praktischen Übung mit dem Simulationspatienten und der mündlichen Prüfung etwas Zeit hätte, um sich kurz zu sammeln. Lehrerein Mirjam Seefeldt hält dagegen: „Wir wollten den Arbeitsalltag realistisch nachbilden. In der Arbeit auf Station ist es ja auch so, dass ihr von einem Patientenzimmer ins nächste geht und sofort umschalten müsst. Und wir wissen, dass ihr das könnt!“

In der Tat ist Anna von den Einsätzen auf der Isolationsstation bei den Coronapatienten einiges gewöhnt: Kranke im Einzelzimmer, die Pflegekraft als einzige Kontaktperson in voller Schutzmontur, keine Möglichkeit, über freundliche Mimik Vertrauen aufzubauen. „Auf der Isolationsstation erlebt man die Angst der Patienten sehr deutlich“, findet Anna. „Insofern hatte die Pandemie auch etwas Positives, denn ich habe sehr viel gelernt.“

Mirjam Seefeldt findet, dass Anna sowieso ein herausragendes Einfühlungsvermögen hat. „Jeder, der sich einen Pflegeberuf aussucht, interessiert sich irgendwie für Menschen, aber die sozial-kommunikativen Fähigkeiten können doch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein“, sagt die Pädagogin. „Wenn man sie nicht mitbringt, kann man sie nur schwer lernen.“ Anna hat aber einen Tipp, wie man als Auszubildender eine gute Beziehung im Krankenzimmer aufbaut: „Ich frage mich dann, wie es dem Patienten wohl in dieser Situation ergeht und wie ich mich in dieser Situation fühlen würde. Dann fällt es mir leichter, Gemeinsamkeiten und Gesprächsthemen zu finden.“

Text: DRK Kliniken Berlin / Maja Roedenbeck Schäfer

Maja_Schaefer, am 09. März 2022
Ausbildung
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