Der erste Beruf, den Karin Lietz gelernt hat, ist Krankenschwester. Nach dem Studium der Sozialen Arbeit, mehreren beruflichen Stationen und Weiterbildungen übernimmt sie ab Juni die Stellvertretende Leitung unseres Hospizes in Köpenick. Was für eine Karriere! Herzlichen Glückwunsch, Karin! Im Karriereblog erzählt sie über ihre Visionen für die Palliativarbeit der Zukunft und den Perspektivwechsel von der Arbeit direkt mit Menschen zur Verwaltungstätigkeit. Und sie bricht eine Lanze fürs lebenslange Lernen.
Eigentlich wollte ich Medizin studieren. Weil ich nicht gleich einen Studienplatz bekam, habe ich in meiner Heimatstadt Hamburg zuerst eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Es schien mir einfach naheliegend. Das war eine tolle Zeit, die ich nie vergessen werde: wir Azubis haben gemeinsam gelernt, im Schwesternwohnheim gab es super Partys, das Krankenhaus war noch kommunal und nicht privatisiert, der Zusammenhalt war etwas ganz Besonderes.
Nach der Ausbildung habe ich auf der Intensivstation gearbeitet. Als ich schließlich anfing, Medizin zu studieren, wurde meine Mutter schwer krebskrank, und ich war mehr damit beschäftigt, mich um sie zu kümmern, als zu studieren, bis ich schließlich abgebrochen habe. In dem Zusammenhang kam ich mit der Sozialarbeit in Kontakt und dachte, das könnte auch etwas für mich sein.
Ich bin dann von Hamburg nach Berlin gezogen und habe mir das Sozialarbeit-Studium finanziert, indem ich Nachtschichten auf einer Intensivstation der Charité geschoben habe. Für Bafög war ich nämlich inzwischen zu alt. Ich finde, da bietet die Pflege sehr attraktive Möglichkeiten für ein gesichertes Teilzeit-Einkommen.
Nach dem Diplom war ich in der klinischen Sozialarbeit unterwegs und seit 2017 als Sozialarbeiterin im Hospiz tätig. Das ist eine sehr befriedigende Tätigkeit, Menschen zu beraten und ihnen Perspektiven aufzuzeigen, obwohl sie am Lebensende stehen. Kling paradox, oder? Gerade heute kam wieder eine Frau zur Tür herein, ohne Termin, den Tränen nahe. Ich empfange sie als Mensch, auf Augenhöhe, das beängstigende Wort „Hospiz“ tritt in den Hintergrund, sie erlebt eine warmherzige Begegnung und Offenheit für jede Frage und jedes Anliegen.
Als sich wegen des Renteneintritts unseres bisherigen Hospizleiters nun die Führungsebene neu sortierte, bot mir der Geschäftsführer die Stellvertretende Hospizleitung an. Mit meinem nebenberuflichen Masterstudium Sozialmanagement, für das ich gerade die letzte Hausarbeit schreibe, bin ich darauf bestens vorbereitet.
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Ich frage mich manchmal, warum viele Mitarbeitende in Sozial- und Pflegeberufen so ambitionslos und phlegmatisch sind. Nutzt doch die vielfältigen Chancen! Einmal Pflege ist nicht immer Pflege, Entwicklung ist möglich! Aber es wird niemand vorbeikommen und einem die Optionen in den Schoß legen. Man muss sich schon selber fragen: Wie kann ich in meinem Job gut älter werden? Mein Anspruch an mich selbst ist, dass ich nicht selbstgefällig werde, sondern dafür sorge, dass mich mein Job jederzeit erfüllt und mir Freude macht. Ich verbringe immerhin ein Drittel des Tages auf Arbeit und darf wahrscheinlich bis zum 70sten Lebensjahr arbeiten!
Lebenslanges Lernen ist wichtig. Die Fort- und Weiterbildung bei Hospizmitarbeitenden sollte nicht mit dem Palliativkurs aufhören – das ist eher die Grundvoraussetzung, mit der man einsteigt. Ich würde als Vorgesetzte auch artfremde Weiterbildungen fördern, zum Beispiel im Bereich Bildungsurlaub. Überspitzt gesagt: Warum nicht mal einen meditativen Töpferkurs mit Ernährungsumstellung in der Toskana belegen?
Es muss im Lebenslauf nicht immer alles schlüssig sein. Jede Art von neuer Erfahrung macht etwas mit einem Mitarbeitenden und er*sie gewinnt neue Kompetenzen, die dann an ganz überraschender Stelle in die eigene Arbeit einfließen. Wichtig ist vor allem, dass die Weiterbildungen der körperlichen und mentalen Gesunderhaltung der Mitarbeitenden dienen. Damit dienen sie doch auch dem Unternehmen, den Kolleg*innen, den Patient*innen.
Mir hat der Wechsel ins sozialpflegerische Management die Augen geöffnet. Als Mitarbeitende ist es leicht zu sagen: „Die Vorgesetzten müssen mal dies und jenes machen, das läuft alles falsch.“ Aber wenn man sich mit Themen wie Führung, Budgets, dem Arbeitsmarkt beschäftigt, versteht man, warum das alles eben nicht so einfach ist und welche gesetzlichen, finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen Einfluss haben.
Ich habe mir übrigens schon die nächste spannende Weiterbildung ausgesucht: es soll in Richtung Psychoonkologie gehen! Auch wenn meine Familie – ich habe eine 16-jährige Tochter und einen 12-jährigen Sohn – die Hände über dem Kopf zusammenschlägt 😉
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Meine Herzensangelegenheit ist es, die Pflege von schwerkranken und sterbenden Menschen zu Hause zu ermöglichen, denn die meisten möchten eigentlich zu Hause bleiben. Das Hospiz sollte immer nur Plan B sein. Mehr Hospize braucht die Stadt auf keinen Fall – da entsteht eine völlig falsche Erwartungshaltung. Wir würden damit das Sterben institutionalisieren, was die Hospizbewegung ja eigentlich nicht will. Unsere Aufgabe als Expert*innen auf dem Gebiet der Palliativpflege sollte auch ein Brückendienst zwischen dem Krankenhaus, den Betroffenen und ihren Angehörigen sein.
Gerne würde ich auch neue Arbeitsmethoden in der Pflege ausprobieren: selbstbestimmtes, agiles Arbeiten, flache Hierarchien. Ich bin begeistert von dem Modell von Frederic Laloux („Reinventing Organizations“). Ich möchte die Mitarbeitenden zur Eigeninitiative motivieren, die Teamdynamik fördern. Denn ich finde es schlimm, wenn die Leitung mal einen Tag nicht da ist, irgendwelche Materialien müssen nachbestellt werden und es findet sich niemand, der sich traut, die Entscheidung zu übernehmen. Oder es weiß einfach niemand, wie es geht.
In unserer kleinen „Hospiz-Blase“ haben wir die idealen Bedingungen, um neue, moderne Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren. Wir haben hier wirklich ganz besondere Arbeitsbedingungen fernab von den Herausforderungen auf Station. Ich möchte sogar sagen, wir haben den schönsten Arbeitsplatz der Welt! Nicht nur von den Gästen und ihren Angehörigen, sondern vom ganzen Unternehmen bekommen wir viel Liebe, Respekt und Wertschätzung entgegengebracht. Alle fragen sich jederzeit, was sie für das Hospiz tun können. Und wir bekommen genug Bewerbungen, trotz des immensen Fachkräftemangels im Sozial- und Gesundheitswesen. Was wir hier ausprobieren, könnte man sicher auch in andere Arbeitsbereiche wie den OP übertragen. Warum sollten die Arbeitsformen der Zukunft dort nicht funktionieren?
Text: DRK Kliniken Berlin / Maja Schäfer
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