Wir sind sehr stolz, dass es uns gelungen ist, Pflege-Influencerin Jenny Kuhnert für unsere FSJ-Bildungstage zu engagieren, mit denen unsere 80 neuen Freiwilligendienstleistenden des Jahrgangs 2023/24 kürzlich ins Unternehmen eingestiegen sind! Jenny war mehr als nur ein „cooler Programmpunkt“: Sie gab ehrliche Einblicke in ihren Alltag als Influencerin, sprach mit den jungen Leuten über Mobbing, Rassismus & Co. in den Social Media, warb für den Pflegeberuf und dafür, selbst Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen zu übernehmen. Lest mehr im Interview.
Meinen ursprünglichen Influencer-Namen „Halbtagsheldin“ habe ich gar nicht auf meinen Beruf bezogen, sondern auf mein Privatleben bzw. darauf, wie ich versuche, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Aber inzwischen verwende ich sowieso meinen echten Namen, weil ich berufspolitisch tätig bin und man mich so besser findet. Unter Jenny Kuhnert bin greifbarer und auch ein Stück erwachsener.
Ich habe bei eurem Bildungstag mitgemacht, weil ich generell Werbung für den Pflegeberuf wichtig finde. Ich bin immer sehr glücklich, wenn mir jemand schreibt: „Ich habe Deinen Content verfolgt und mich entschieden, eine Ausbildung in der Pflege zu machen!“
Ich habe es aber auch als Chance gesehen, über die Social Media und das Influencer-Dasein aufzuklären. Sowohl bei der Pflegeausbildung als auch beim Thema Influencer ist es wichtig, ein authentisches Bild zu verbreiten, über Vor- und Nachteile zu sprechen. Als Influencer*in verdient man z.B. nicht wahnsinnig viel Geld. Das wird alles heißer gekocht als es ist. Ich muss für meine Auftritte ein kleines Honorar nehmen und in meinen Kanälen ein wenig Werbung schalten, weil ich meine Arbeitszeit reduziert habe. Irgendwie muss ich meinen Lebensunterhalt verdienen. Aber mehr ist es auch nicht.
Social Media ist nicht mal eben schnell gemacht. Man braucht viel Zeit für die Vorbereitung. Der Druck, täglich hochwertigen Content liefern zu müssen und steigende Followerzahlen zu haben, ist hoch. Es gibt eine große Erwartungshaltung an uns Influencer*innen, dass wir uns zu allen Themen äußern sollen. Auch zu denen, mit denen wir gar nichts zu tun haben. Ich versuche, mich davon frei zu machen. Seit einiger Zeit habe ich zum Beispiel ein Plateau erreicht und meine Zahlen steigen langsamer. Mit reißerischem Content könnte ich das ändern, aber ich habe mich dagegen entschieden, weil das nicht zu mir passt.
Alle Informationen und Bewerbungsmöglichkeiten zum Freiwilligen Sozialen Jahr bei den DRK Kliniken Berlin findest Du hier!
Von euren FSJler*innen gab es durchweg positive Rückmeldungen – direkt beim Event und später drei oder vier per Privatnachricht. Einige folgen mir jetzt. Ich fand, es war ein guter Austausch. Das Interesse war da, auch wenn es natürlich ein langer Tag war, an dem irgendwann die Aufmerksamkeit nachlässt.
Besonders gut gefallen hat den FSJler*innen, dass wir offen über Mobbing, Rassismus und sexuelle Inhalte in den Social Media gesprochen haben. Viele haben Erfahrungen damit gemacht. Das passiert eigentlich weniger in den öffentlichen Kommentaren, sondern mehr in den Privatnachrichten, die man ungefragt erhält und die teils sehr gemein sind. Gerade als Frau ist es krass, da geht es schnell mal unter die Gürtellinie und man bekommt „DickPics“. Ich rate dann dazu, so etwas immer zu melden. Über die normale „Melde-Funktion“ für sexuelle Inhalte bei Instagram hinaus gibt es Beschwerdeseiten, über die man die Nachrichten sogar strafrechtlich verfolgen lassen kann.
Beruflich rate ich sowieso, eher mit einem Profil auf LinkedIn präsent zu sein. Wenige FSJler*innen sagten, dass sie dort aktiv seien. Dabei ist das im Moment DIE Plattform, um sich im Karrierekontext zu vernetzen – gerade auch als Berufseinsteiger*in. Und das Publikum ist seriöser.
Mein Instagram-Kanal, den ich seit 2013 betreibe, war anfangs ein Food-Blog. Dann kam die Pandemie und ich hatte das Bedürfnis, die Probleme der Pflege sichtbar zu machen. Ich möchte auch Menschen außerhalb der Pflege-Bubble aufzeigen, was Pflege eigentlich macht und welche gesellschaftliche Bedeutung der Beruf hat. Seit 2020 beschäftige ich mich in meinen Kanälen nun hauptsächlich mit Pflege, Pflegepolitik und Gesellschaftskritik. Gute Pflege geht uns alle an!
Einen Bekanntheitsschub bekam ich, als ich sieben Tage nach der Bundespressekonferenz von Jens Spahn mit Ricardo Lange den Berliner Krankenpfleger in einem Liveformat bei mir auf dem Instagram-Kanal präsentierte. Ich versuche aber selbst, nicht so extrem zu polarisieren, das ist nicht meins. Ich greife niemanden an und bleibe konstruktiv, wenn ich mich in Diskussionen einschalte. Wilde Behauptungen aufstellen und Meinungen sammeln, ohne vorher eine eigene, gut recherchierte Position entwickelt zu haben, das möchte ich nicht. Mein Anliegen ist ein realer Dialog zum Thema Pflege. Ein sinnvoller Diskurs, der keine speziellen Aspekte promotet, sondern ein Gesamtbild zeichnet. Ich glaube, das gibt es nicht so oft.
Wir bauen unser Ausbildungsangebot gerade massiv aus. Alle Informationen und Bewerbungsmöglichkeiten für unsere inzwischen zehn Ausbildungsberufe findest Du hier!
Na klar! Gestern im Frühdienst bekam ich erst wieder die schöne Rückmeldung von einem Patienten: „Man merkt, dass Sie Ihren Beruf gerne machen!“ Ich bin sehr froh, dass das trotz allem noch so ist.
Ich mag es nicht, wenn man über Sachen redet, von denen man keine Ahnung hat. Wenn jemand über den Pflegenotstand und Personalmangel spricht, aber in keiner Weise berufspolitisch organisiert ist (in der Gewerkschaft, im Berufsverband), widerspricht sich das in meinen Augen. Nur meckern und die Krise aussitzen hilft nicht, da müssen auch Konsequenzen folgen.
Mein Aufruf an alle Pflegekräfte, die schon in der Ausbildung oder im Beruf sind oder ihn ergreifen wollen, lautet: Befasst euch mit euren Möglichkeiten, selbst etwas zu verändern! Klar kostet die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft, im Berufsverband oder in der Pflegekammer – wenn es sie irgendwann geben sollte – Geld. Man muss ja aber nicht auf jeder Party tanzen. Und man muss auch nicht unbedingt selbst aktiv mitarbeiten. Aber zumindest in einer Organisation Mitglied sein und auf diese Weise seinen Beitrag leisten, das ist wichtig. Anders werden wir nicht vorankommen. Es gibt keinen „Retter“, der irgendwann vorbeikommen und alles regeln wird. Wir sind unsere eigene Rettung!
Interview: DRK Kliniken Berlin / Maja Schäfer
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